Führung

Kritikgespräche mit Mitarbeiter*innen: Der größte Fehler – sie nicht zu führen oder in 5 Schritten auf den Gipfel

Erinnern Sie sich noch an Situationen, in denen Sie kritisiert wurden? Nein? Alles verdrängt? Ich mich schon… an einen Professor, der meine Hausarbeit in der Luft zerrissen hat, an meinen Bruder, dessen Auto ich unerlaubt benutzt habe, an eine Klassenkameradin, die mich vor allen in den Senkel gestellt hat. Nicht gerade aufbauend. Im Gegenteil. Ich fühlte mich wertlos, schuldig. Irgendwie ‚vernichtet‘.

Das Thema Kritik ist immer vorbelastet. Egal, ob ich welche bekomme, oder Kritik üben muss. Als Führungskraft gehört letzteres einfach dazu. Ob ich will oder nicht. Kritikgespräche sind unangenehm, ja. Am liebsten schieben wir sie auf. Oder reden uns die Dinge so schön bzw. nichtig, dass das Gespräch nicht mehr nötig ist. Das ist allerdings von allen die schlechteste Lösung. Auch diese Herausforderung, die uns vorkommt wie ein zu hoher Berg, beginnt mit kleinen Schritten. Warum es sich lohnt und welche die wichtigsten sind auf dem Weg zum Gipfel lesen Sie hier.

Gute Gründe für das Führen eines Kritikgesprächs – Die Aussicht

Warum eigentlich? Warum soll ich mir diesen Berg antun? Brauche ich die Aussicht von da oben wirklich? Dazu gibt es eine einfache Frage: Wird sich am Verhalten meines Mitarbeiters, meiner Mitarbeiterin etwas ändern, wenn ich das Gespräch nicht führe? Nein? Dann ist der erste gute Grund schon gefunden. Der zweite liegt schlicht in der Größe des Berges: Je länger ich das Gespräch auf die lange Bank schiebe, umso mehr Dinge werden mir auffallen, die ich zu kritisieren habe. Mein Fokus liegt momentan auf den Fehlern. Und das wiederum birgt die Gefahr, dass das Gespräch zur Pauschalkritik wird, einen vernichtenden Charakter bekommt. Darum geht es aber nicht. Es geht um ein bestimmtes Verhalten, das verändert werden soll, nicht um den Menschen an sich. Ergo – der Aufstieg lohnt sich, denn oben angekommen wartet eine neue Aussicht und das gute Gefühl, es geschafft zu haben. Allerdings braucht es vor jeder Bergtour eine gründliche Vorbereitung.

Vorbereitung – Die Route planen

Warum denn vorbereiten? Es ist doch klar, was schiefläuft! Nämlich das, das und das. Und außerdem, wie ich finde, auch noch das! So einfach ist es nicht. Gehe ich so in ein Gespräch, besteht die Gefahr, dass es auf Schuldzuweisungen und Verteidigung hinausläuft und zu nichts führt. Wenn es einen Kritikpunkt gibt, gilt: nicht sofort schießen! Ganz egal, ob der Anlass eine Beschwerde über Frau Müller ist oder mir das Fehlverhalten selbst auffällt. Nicht schießen, sondern einen Gesprächstermin festlegen. Und vorher Karte hernehmen und mir den Weg anschauen. Heißt konkret, mir über eine paar Dinge Klarheit zu verschaffen, damit das Gespräch zielführend und trotz Kritik wertschätzend verlaufen kann. Was ist dabei wichtig?

Zuerst muss vollkommen klar sein: Was ist mein Ziel? Was soll anders sein? Was soll sich am Verhalten von Frau Müller ändern? Was erwarte ich von ihr? Wenn ich es nicht weiß, wie soll sie es dann wissen. Je klarer es mir ist, desto klarer kann ich es kommunizieren. Das Ziel ist das Gipfelkreuz. Auch wenn ich es nicht auf jeder Etappe sehe, dort will ich hin. Wir können Umwege gehen, im Gespräch vom Thema etwas abkommen. Es kann emotional werden. Die Fakten können zeitweise aus dem Blick geraten. Aber das Gipfelkreuz bleibt mein Ziel.

Wenn das Ziel klar ist, überlege ich mir, was ich an Frau Müller schätze, was sie gut kann, weshalb sie wertvoll ist für mich, für das Team, das Unternehmen. Wenn es nicht so wäre, würde ich dieses Gespräch nicht führen. Selbst wenn ich schon zu lange gewartet habe, genervt bin, ist es wichtig, mir ihre Qualitäten bewusst zu machen. So komme ich in eine wertschätzende Haltung und gehe mit weniger Voreingenommenheit und mehr Respekt ins Gespräch.

Beim Gedanken an den Aufstieg fühle ich mich nach wie vor unwohl? Klar, ein Kritikgespräch ist einfach eine Stresssituation. Gut, wenn ich weiß, womit ich meinen Stress auflösen kann. Vielleicht mit frischer Luft. Einer Meditation. Dem aktuellen Lieblingslied. Oder mit einer Übung, die entstresst. 1-Minuten-Übungen zu finden zum Beispiel hier. Stresslevel reduziert? Prima, dann Rucksack auf, es kann losgehen.

Kritik üben – In 5 Schritten auf den Gipfel

1. Am Fuß des Berges heißt es tief durchatmen, freundlich begrüßen und gleich zur Sache kommen. Okay, wenn es für meine Mitarbeiterin das erste Kritikgespräch ist, darf der Einstieg positiver ausfallen. Es wird ihr guttun und es wird zu einer respektvollen und sicheren Atmosphäre beitragen, wenn ich kurz rückmelde, weshalb ich ihre Arbeit grundsätzlich schätze.

2. Aber dann komme ich direkt zum Thema, zu diesem einen Kritikpunkt, der problematisch ist und einer Veränderung bedarf. Zuerst kommt meine oder die mir übermittelte Wahrnehmung. Danach schildert Frau Müller ihre. Hier heißt es einfach zuhören. Hier gebe ich Raum für Begründungen, auch für Ausflüchte oder Entschuldigungen. Hier kann es emotional werden. Ich höre zu, lasse das Gesagte so stehen, gehe die Umwege mit, behalte aber den Gipfel im Blick. Wenn es zu emotional wird, kann ich durch Fakten entgegenwirken. Es kann auch passieren, dass Frau Müller nichts sagt. Sich zurückzieht, da sie sich als Opfer oder Sündenbock fühlt. Dann kann ich durch Fragen ihre Sichtweise erfahren.

3. Die nächste Etappe ist vielleicht die steilste, auf die ich aber vorbereitet bin. Ich spreche klar und deutlich meine Erwartung aus. Genauso wichtig wie meine Klarheit ist, dass Frau Müller mitgeht, diese Erwartung mitträgt. Das muss ich aktiv einfordern. Ohne diesen Konsens geht es nicht weiter. Heißt unter Umständen so lange Schleifen zu drehen, bis das ‚Ja, ich bin dazu bereit.‘ ausgesprochen ist. Der Gipfel ist geschafft.

4. Hier oben verweilen wir einen Moment. Bei der Frage der Umsetzung meiner Erwartung lasse ich meiner Mitarbeiterin Raum, um konstruktiv zu sein, um eigene Vorschläge zu finden. Eine eigene Lösung ist ihre Lösung, entspricht ihr, fühlt sich verbindlicher an. Und zeugt von Wertschätzung und Respekt. Wenn sie damit überfordert ist, kommt mein Lösungsvorschlag zum Einsatz.

5. Bleibt als letzter wichtiger Schritt die Vereinbarung, was bis wann umgesetzt wird. Und ein nächster Termin, zur Überprüfung dieser Umsetzung. Wenn alles gut läuft, habe ich dann die Gelegenheit, positives Feedback zu geben. Ich sollte allerdings darauf achten, dass es nicht wie ein Freispruch klingt. Die Veränderung soll schließlich dauerhaft sein. Unangenehm, wenn Frau Müller nach diesem zweiten Termin in alte Muster zurückfällt und ich wieder von vorne beginne bzw. strenger reglementieren und kontrollieren muss. Deshalb kann es sinnvoll sein, diese Umsetzungsbilanz nicht zu früh anzusetzen. Und bis dahin ein Auge auf die Umsetzung zu haben.

Damit der Gesprächsverlauf und unsere Vereinbarung nachvollziehbar bleiben mache ich während des gesamten Kritikgesprächs Notizen, die ich meiner Mitarbeiterin mitgebe. Sie sind wichtig für das Folgegespräch und sorgen für Transparenz und Verbindlichkeit.

Dieser Berg ist geschafft. Gute Aussicht, oder?

Noch mehr Input zum Thema Kritikgespräch und anderen Themen finden Sie auf unserem YouTube-Kanal oder bekommen Sie in unseren Seminaren zum Thema Führung. Wenn Ihnen noch nicht ganz klar ist, wer oder was das eigentliche Problem ist – auch diesen Weg gehen wir gerne mit Ihnen in einem individuellen Coaching. Alle Informationen finden Sie unter www.ans-ziel.eu oder rufen Sie uns einfach an unter +49 (0) 75 51 - 6 08 16.

Wir freuen uns auf gemeinsame Touren!

Andreas Zaiß

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